Schnee von morgen

Kunst im öffentlichen Raum  | Tirol

Eine Installation von Lois Hechenblaikner zu den Folgen des Klimawandels für den Skitourismus in der Alpenregion

Ort: Ellmau, Tirol | Speicherteich Hartkaiser | Ellmauer Bergbahnen, Hartkaiserbahn
Ausstellungsdauer: 10.5. – 2.11.2025

 

 

IF THERE IS MAGIC ON THIS PLANET,

IT IS CONTAINED IN WATER.

Loren Eisely

 

Der Klimawandel ist in den Skigebieten der Alpen, die vom Wintertourismus leben, bereits ganz real. Durch die Klimaerwärmung werden die Winter kürzer; es gibt weniger Schnee, die Pisten sind oft grün. Damit die ökonomische Basis der Tourismusorte nicht zunehmend bedroht ist, baut man daher seit Anfang der 1990er-Jahre Speicherteiche auf Höhe der Skigebiete. Allein in Tirol gibt es bereits mehr als 150 solcher Teiche. Aus deren Wasser wird dann, vor allem zu Beginn der Skisaison, in milderen Wintern mittlerweile aber bereits während der gesamten Saison, Kunstschnee produziert.
Der renommierte Fotograf und Künstler Lois Hechenblaikner (*1958), der sich in seinem international stark rezipierten Werk seit mehr als zwei Jahrzehnten auf engagierte Weise mit der touristischen Vernutzung von Natur und Kultur im Alpenraum befasst, lenkt mit seiner Installation „Schnee von morgen“ die Aufmerksamkeit auf die Existenz und Problematik der Speicherteiche. Mit diesem Projekt ist er einer von vier Gewinnern des vom Land Tirol ausgelobten Wettbewerbs „STÖRFAKTOREN“.
Tatsächlich braucht es einen Störfaktor, um mehr Bewusstsein für die Speicherteiche zu wecken. Denn da sie sich gut in die Landschaft einfügen, werden sie, zumal von Gästen, denen die Hintergründe dieser Teiche unbekannt sind, oft als natürliche Idyllen wahrgenommen. Dies wird in den nächsten Monaten anders sein! So verfremdet Lois Hechenblaikner den Anblick des gut besuchten Speicherteichs Hartkaiser in Ellmau am Wilden Kaiser, indem er über dessen gesamte Fläche (von über 16.000m2) 281 Skier verteilt, die jeweils zu rund drei Viertel ihrer Länge senkrecht aus dem Wasser ragen.
Auf diese Weise lassen die Skier sich als Ausrufezeichen oder Mahnmale wahrnehmen. Dass sie entgegen ihrer Funktion präsentiert werden, kann verunsichern, und es lässt sich dann vergegenwärtigen, wie abhängig das Skifahren davon ist, dass es überhaupt Schnee gibt. Der Titel der Installation „Schnee von morgen“ verweist darauf, dass das Wasser der Teiche im kommenden Winter in Kunstschnee verwandelt wird, ohne sie also gar kein Skisport vor Ort mehr möglich wäre.
Aber man kann die Skier im Wasser auch als Bild dafür sehen, dass durch den Klimawandel der Schnee schmilzt, den es in dieser Region lange zuverlässig gab und der Grundlage des wirtschaftlichen Prosperierens der letzten Jahrzehnte war. Das Wasser der Teiche ist damit auch der Schnee von gestern; es wird zum Symbol für das Ende einer ganzen Epoche von Wintersport und Skitourismus. So lassen sich mit den vielen senkrechten Skiern sogar Grabkreuze eines großen Friedhofs assoziieren.
Dass die Skier sich bei Wind oder Regen bewegen, ja generell instabil und fragil, aus der Entfernung fast so luftig wie Gras wirken, verleiht ihnen den Charakter von Seismografen eines unruhigen, gefährdeten Ökosystems. Alles in allem veranschaulichen sie also nicht nur eine schon akute Krise, sondern fungieren als Menetekel: als beunruhigende Vorzeichen einer düsteren Zukunft.
Lois Hechenblaikners Installation stellt dennoch kein apokalyptisches Szenario dar. Trotz aller Bedrohlichkeit, die die surreale Verbindung von Skiern und Wasser ausstrahlt, liegt darin vielmehr auch ein poetisches Moment. Leichtigkeit und Eleganz, mit der die Skier auf dem Wasser geradezu zu schweben scheinen, wecken die Hoffnung, auch unter massiv gewandelten Naturbedingungen sei noch so etwas wie ein gutes Leben möglich.
Alle für die Installation verwendeten Skier stammen von Altstoff-Sammelstellen und werden diesen am Ende der Laufzeit wieder zurückgegeben. Insofern entsteht kein neuer Müll und auch sonst keine zusätzliche ökologische Belastung.
Da der Speichersee durch die verfremdende Installation zum beliebten Fotomotiv werden wird, ist der Hashtag #schneevonmorgen mit dem Projekt verknüpft. Je mehr Leute Fotos und Videos der Installation in den Sozialen Medien mit diesem Hashtag teilen, desto breiter wird auch die Diskussion darüber und über die damit verhandelten Themen ausfallen.

 

Wolfgang Ullrich, geboren 1967, war von 2006 bis 2015 Professor für Kunstwissenschaft und Medientheorie an der Staatlichen Hochschule für Gestaltung in Karlsruhe. Er lebt als freier Autor in Leipzig. In zahlreichen Publikationen befasst er sich mit Geschichte und Kritik des Kunstbegriffs, bildsoziologischen Fragen sowie Konsumtheorie. Bücher (Auswahl): Mit dem Rücken zur Kunst. Die neuen Statussymbole der Macht (2000); Die Geschichte der Unschärfe (2002); Tiefer hängen. Über den Umgang mit der Kunst (2003); Was war Kunst? Biographien eines Begriffs (2005); Bilder auf Weltreise. Eine Globalisierungskritik (2006); Habenwollen. Wie funktioniert die Konsumkultur (2006); Gesucht: Kunst! Phantombild eines Jokers (2007); Raffinierte Kunst. Übung vor Reproduktionen (2009); Wohlstandsphänomene (2010); An die Kunst glauben (2011); Alles nur Konsum. Kritik der warenästhetischen Erziehung (2013); Des Geistes Gegenwart. Eine Wissenschaftspoetik (2014); Siegerkunst. Neuer Adel, teure Lust (2016); Die Kunst nach dem Ende ihrer Autonomie (2022).

 


 

Hinweise zur Besichtigung der Installation:

Anfahrt mit dem PKW: Talstation der Ellmauer Bergbahnen – Hartkaiserbahn, Weißachgraben 5, 6352 Ellmau

Auffahrt mit der Bergbahn, zu Fuß oder mit dem Bike-/e-Bike. Zieleingabe: Bergstation Restaurant Bergkaiser

Zu empfehlen ist der Rundwanderweg um den Speicherteich, sowie der Blick auf die Installation von der Terrasse des Restaurant Bergkaiser

Von der Bergstation gelangt man über die Straße hinunter zum Speicherteich. Gehzeit: 7-10 Minuten

 


 

Einreichplanung: Arch. DI Florian Bauer ZT
Filmische Dokumentation des Entstehungsprozesses der Installation: Mike Kern

 

Montage der Installation:

Fabian Hechenblaikner
Manuel Schwarzmann
Tobias Hechenblaikner
Christian Angerer
Lois Hechenblaikner

 

Weiteren Dank an:

Land Tirol, Abteilung Kultur
DI (FH) Johannes Winkler, Ellmauer Bergbahnen
Lukas Fankhauser, Wasserrettung Tirol, Schwaz-Achensee
Künstler*innenvereinigung Tirol
Dr. Wolfgang Ullrich
Ulrich Steinlechner
Ing. Markus Müller
Alexander Biewald