Ischgl

 

Delirium Alpinum

 

Stefan Gmünder

 

„Das muss ich fotografieren, aus dieser Perspektive habe ich es noch nicht“ murmelt Lois Hechenblaikner während er an einem Apriltag des Jahres 2020 recht hochtourig einen Schotterweg hinauffährt. Die Schlaglöcher scheinen dem Mann, dem Fotobücher wie „Winter Wonderland“, oder „Hinter den Bergen“ den Ruf eines Aufklärers, Aufdeckers und Widerstandskämpfers eingebracht haben, ziemlich egal zu sein. Gerade als man beginnt, sich um die Stoßdämpfer des Autos Sorgen zu machen, hält er an und steigt aus, die Tür bleibt offen. Unten im Tal drängt sich ein kleiner Ort um eine Kirche: Ischgl, Tirol.
Ruhig sieht das Dorf aus, verlassen, keineswegs wie ein Tourismus-Ungeheuer mit 250 Millionen Umsatz jährlich und 1,4 Millionen Übernachtungen bei knapp 1.600 Einwohnern. Wie feine Tentakel spannen sich die Tragseile dreier Bergbahnen den Berg hinauf und verschwinden im Nebel, wo weitere vierzig Lifte warten und ein Skigebiet erschließen, das als eines der schönsten und besten der Alpen gilt. Am Rand des Ortes indes haben sie ein 220 Meter langes und 20 Meter hohes Betongebäude mit kleinen Fenstern hingebaut, das einer Großstadt gut zu Gesicht stehen würde. Es ist dieser 33 Millionen Euro teure Klotz, der aussieht als wäre er einem vorbeigehenden Riesen aus der Tasche gefallen, den Hechenblaikner fotografieren will. In seinen Eingeweiden birgt der rechteckige Bau neben einem Bauhof, dem Gemeindeamt, einem Busterminal samt Verbindungstunnel zur Pardatschgratbahn auch 600 Parkplätze. Natürlich nennt man so etwas hier nicht einfach Garage, sondern „Parking Lounge Ischgl“, das ist man sich als „Lifestyle-Mekka“ schuldig.

 

Lifestyle-Mekka? Oder doch eher eine Partnergemeinde von Sodom, wie ein Bekannter Hechenblaikners sagt. Wieder anderen gilt der Ort im Paznauntal, der mit dem vielsagenden Slogan „Relax. If you can…“ wirbt, wahlweise als Hochburg des schlechten Geschmacks, Ballermann der Alpen – oder als längste Theke Tirols, an der sich die Reste der aus der ganzen Welt angereisten Mittel- und immer reicheren Oberschicht dem Alkoholexzess hingeben. Gern erfüllt die Ischgler Skigastronomie, in der, wie es heißt, der Kennenlernfaktor ganz überwältigend sei, auch exzentrische Wünsche. So ließ etwa im Jahr 2017 ein Kunde den Kellner eine Champagnerflasche, die so viel kostet wie ein Langstreckenflug, mit einem brennenden Golfschläger köpfen. Bei der anschließenden Explosion fing nicht nur der Arm des Kellners, sondern auch ein Lokalgast Feuer. In Ischgl ist dergleichen nicht weiter der Rede wert. Trotzdem landete die „bsoffene Gschicht“ vor Gericht. Während beim Gast, der in Ischgl schließlich König ist, eine Mitschuld verneint wurde, erging an den Kellner eine zur Hälfte bedingte Geldstrafe von 3.000 Euro und an das Opfer eine Entschädigung von 15.000 Euro.

 

Mit alldem hat das „Millionendorf“ recht gut gelebt. Bis zu jenen unseligen Tagen im März 2020. Seither gilt das „Tal der sündigen Schneehasen“ (Bild Zeitung), wo in Etablissements wie „Trofana Alm“, „Kuhstall“, „Nikis Stadl“, „Freeride“, „Kitzloch“ oder „Schatzi Bar“ zuweilen die Puppen auf dem Tresen tanzen und das Speedtrinken praktiziert wird, als internationale Virenschleuder und als Covid-19-Hotspot, von dem aus sich die Seuche in alle Welt verteilte. Unzählige Menschen aus der ganzen Welt sollen sich hier im Gedränge der Bars angesteckt haben und Tausende in der Folge erkrankt sein. 25 Menschen sollen gestorben sein.
Seither hat Tirol, insbesondere Ischgl, international nicht die beste Presse, vor allem weil die Bars und Bahnen selbst als es viele Verdachtsfälle gab, nicht geschlossen wurden. Plötzlich standen die Lifestyle-Spezialisten aus dem Paznauntal als profitmaximierende Alpenkapitalisten und mächtige Lobbyisten da, denen Umsatz und das Summen ihrer elektronischen Registrierkassen über die Gesundheit ihrer Gäste ging. Man reagierte mit dem trotzigen Selbstvertrauen von Tourismusmanagern, die wissen, dass in Tirol direkt oder indirekt jeder dritte Euro mit dem Fremdenverkehr verdient wird. Auch die Tiroler Landesregierung beteuerte gebetsmühlenartig, alles richtig gemacht zu haben. Ein paar quälende Wochen und eine Quarantäne später kam man zum Schluss, vielleicht habe man doch nicht alles richtig gemacht, schuld aber seien andere, China zum Beispiel, Italien, die Bundesregierung in Wien.

 

Mitte Mai 2020 schließlich lud Tirols Landeshauptmann Günther Platter zu einer Video-Pressekonferenz und verkündete ernst, niemand brauche in Tirol einen „übertriebenen Partytourismus“. Der Mann, der ein paar Steinwürfe von Ischgl geboren wurde, machte dabei fast den Eindruck, das Wort „Partytourismus“ nie in seinem Leben gehört zu haben. Sorgen machte er sich hingegen über die „irritierenden Bilder“, die in alle Welt hinausgetragen worden seien. Vielleicht meinte er damit die Fotos von Touristen, die sich um Taxis prügeln oder zu Fuß aus den gesperrten Skigebieten flüchten.
„Irritierende Bilder“ macht auch Lois Hechenblaikner. Es ist davon auszugehen, dass Platter sie kennt. Immerhin dokumentiert sein Landsmann seit fast drei Jahrzehnten die Verwerfungen einer Tourismus-Industrie in Ischgl und anderswo, deren Motto sich griffig auf ein paar Nenner bringen lässt: größer, populärer, schriller, höher – und mehr. Mehr Gewinn vor allem – und mehr Konsum. Wer an dieser Spirale der Aufmerksamkeitsökonomie, sie hat die Medien mittlerweile ebenso ergriffen wie den Kunstbetrieb, mitdrehen will, verdammt sich zum Weitermachen, zur Schrillheit und zu Kompromissen, was die Qualität der Arbeit oder seines Produkts betrifft. Der Neoliberalismus verwendet für diese Dynamik gern das Wort „alternativlos“.

 

Lois Hechenblaikner spricht mit Blick auf Ischgl lieber von „Delirium Alpinum“. Der Terminus ist vielschichtig und verweist auf eine sehr viel umfassendere gesellschaftliche Gleichgewichtsstörung als allein der Alkohol sie auszulösen vermöchte. Die rauschhaften Oberflächenphänomene, die Hechenblaikners Fotografien zeigen, zielen auf das unter dem Sichtbaren Verborgene ab. Sie blenden in Tiefenschichten einer Spaß-Fata Morgana, die sich oft genug als Chimäre entpuppt. Oder als verkehrte Welt, in der alle in diesem Spiel Gefangenen Antreiber und Getriebene zugleich sind. Zauberlehrlinge, ausgeliefert den Geistern, die sie riefen und dem Goldenen Kalb, um das sie tanzen. Die Frage, die der Fotograf stellt, lautet nicht „was habt ihr?“, sondern vielmehr „was fehlt euch?“ Schon der arme Parzival stellte sie einst auf seiner Suche nach dem heiligen Gral.
„Der Tourismus, ersonnen, um seine Anhänger von der Gesellschaft zu erlösen, nahm sie auf die Reise mit. Von den Gesichtern ihrer Nachbarn lasen die Teilnehmer fortan ab, was zu vergessen ihre Absicht war. In dem, was mitfuhr, spiegelte sich, was man zurückgelassen hatte. Der Tourismus ist seither das Spiegelbild der Gesellschaft, von der er sich abstößt“, schreibt Hans Magnus Enzensberger 1958 in seiner immer noch lesenswerten „Theorie des Tourismus“. Nicht zuletzt dieser gesellschaftliche, soziologische und somit politische Bedeutungsrahmen macht Hechenblaikners Bilder so radikal, beunruhigend – und oft traurig. Manchmal, kurz nur, aber lange genug, um den Betrachter zu verzaubern, glimmt in den Bildern eine tiefgründige, archaische Schönheit der Natur auf, ein Blick in eine Anderswelt, die sich nicht richtig in das Raster richtig/falsch, schwarz/weiß, gut/böse fügen will. Ansonsten aber viel Alkohol, Hormonstau, Abfall, Chaos.

 

Man kann die Arbeiten des 62-Jährigen als Gewissensprüfung lesen, die er in den katholischen Echoraum Ischgls wirft, oder man kann sie als Spiegel sehen, den er Touristikern und Konsumenten, sprich Gästen vorhält. Dass das geschäftsschädigend sein könnte, ist einigen früh aufgefallen. Vielen gilt Hechenblaikner als Nestbeschmutzer, Miesmacher, Spaßverderber. Zu Ausstellungen wird er vor allem im Ausland eingeladen, kaum in Tirol.
Dem aus dem Tiroler Alpbachtal gebürtigen Fotografen, dessen Eltern eine Pension führten, war das nicht egal, weitergemacht hat er trotzdem. Zynisch ist er darüber nicht geworden. Obwohl er mit visuellem Sprengstoff hantiert, will Hechenblaikner nicht vernichten oder zerstören. Stören hingegen will er schon, kürzlich hat ihn das „Handelsblatt“ deswegen einen fotografischen Thomas Bernhard genannt.

Angelehnt an den 1989 verstorbenen Autor und kritischen Zeitgeist Thomas Bernhard, der seine „Freude“ an Ischgl gehabt hätte, ist jedoch der Zugang Hechenblaikners distanzierter und dadurch vielleicht noch radikaler. Das spürt man, wenn man mit ihm in diesem April 2020 durch Ischgl geht. Erst kürzlich wurde die Quarantäne über den Ort aufgehoben. Die Atmosphäre im Dorf ist dicht, kein Hund bellt, kein Kind lacht, die Gesichter der Menschen sind verschlossen. Irgendwo irrlichtert das Team eines Fernsehsenders herum, das den Eindruck macht, nach Sensationen zu suchen. Man hat auch bei Hechenblaikner per E-Mail um ein Interview angefragt, er lehnt ab, obwohl er zufällig genau diesem Tag in Ischgl wäre. Journalisten, die für einen Tag anreisen, um auf der Jagd nach der schnellen Geschichte nur das suchen, was sie bestätigt sehen wollen, sind ihm ein Gräuel. Dass es unter den Einheimischen schon lange Widerstand gegen die Partyexzesse gibt, wird in solchen „Storys“ ebenso wenig erwähnt, wie dass das Dorf versucht, mit erstklassigen Hotels und acht Gourmetlokalen gegenzusteuern. Mit beschränktem Erfolg, die einmal entwichenen, lukrativen Flaschengeister lassen sich so schnell nicht wieder einfangen.
Auch das Wissen um die Armut, die unter den Bauern in vielen der später reichen gewordenen Tourismusgegenden herrschte, schwingt in Hechenblaikners Fotobüchern mit. Keine hundert Jahre ist es her, dass man Kinder aus dem Paznauntal und anderen Regionen aus purer Not als Billigarbeiter nach Süddeutschland schickte, wo sie wenigstens eine warme Mahlzeit auf den Tisch bekamen. Eine weitere Einnahmequelle erschloss man mit dem Schmuggel in die benachbarte Schweiz, in die mittlerweile eine Bahn hinüberführt. Die mentalen Zerstörungen, die der allein der Befriedigung zahlender Gäste dienende „Fremdenverkehr“ in manchen Familien und Seelen anrichtet, kennt der Fotograf ebenfalls.

 

Man schrieb die frühen 1960er-Jahre, als Bürgermeister Erwin Aloys und ein paar andere Visionäre, viele von ihnen Bauern, ihre Leben und viel geborgtes Geld einsetzten, um einen Traum Realität werden zu lassen. Es war der Traum von einem eigenen Skigebiet. Die Widerstände waren beträchtlich, man hielt die Männer für Verrückte. Schon am 16. März 1963, der März scheint für Ischgl ein Schicksalsmonat zu sein, hätte alles jäh zu Ende sein können. Beim Probebetrieb der Anlage und in Beisein von Beamten des Bundesministeriums für Verkehr stürzte die Gondel ab. Die Seilbahnpioniere machten weiter – und konnten die Bahn im Dezember desselben Jahres eröffnen. Der Rest ist eine lange Geschichte, heute gelten Ischgls Bahnen und Lifte, auch weil der erwirtschaftete Gewinn hartnäckig direkt in die Anlagen reinvestiert wird (bislang 600 Millionen Euro) als die modernsten der Welt. Ganz zu schweigen vom Skigebiet der Silvretta Arena, das selbst Kritiker des Ischgl-Rummels beeindruckt.
Erwin Aloys‘ Sohn wird sich dreißig Jahre später mit Visionen der anderen Art hervortun. Etwa als Schöpfer von Eventkonzepten, die danach trachten, Ischgl zum „Epizentrum touristischer Utopien“ zu machen. Unter anderem glaubte er erkannt zu haben, dass der „neue Gast“ ein „eitler, körperbewusster, ungehorsamer, schönheitsfanatischer Egoist“, sein werde, „der nicht mehr weiss, was er will“. Er forderte Manager dazu auf, „mit dem Penis zu denken“ und tat als Hotelier und Bar-Betreiber alles dafür, genau diesen „neuen Gast“ zu erreichen. Dazu war es zunächst notwendig, sich wie ein „Elefant im Porzellanladen“ aufzuführen – und möglichst viel Aufmerksamkeit zu erregen. So karrte er etwa im Jahr 2002 für ein paar Stunden den krisengestählten amerikanischen Ex-Präsidenten Bill Clinton nach Ischgl (Kostenpunkt: 200.000 Dollar), der aus der holden Bergwelt eine „Message from the Mountains“ an die Weltjugend richtete. Der Inhalt der Nachricht lässt sich recht kurz zusammenfassen: Von Amerika lernen, heißt siegen lernen.
Ein paar Jahre zuvor schon hatte man mit den mittlerweile legendären „Top of the Mountain“ – Konzerten begonnen, die auf 2.320 Metern stattfinden und von Zehntausenden besucht werden. Bob Dylan hat hier gespielt, Elton John, Tina Turner, Robbie Williams, Zucchero und viele andere, deren Namen in der Branche einen guten Klang haben. Die Stones konnten nicht, ihre Verstärkeranlage ist zu groß. Michael Jackson hatte zugesagt, war aber ein paar Tage vor dem Auftritt unpässlich.

 

Seither herrscht in Ischgl permanente Partylaune. Ischgl ist der Ort, der den Beat vorgibt, der Platz an der Sonne, an dem die Musik spielt und Alkohol und Go-Go-Girls müde Männerknochen munter machen. Hier lassen sich, wie in Polizeiberichten nachzulesen ist, Freund- oder Feindschaften für’s Leben schließen und Leistungsträger beim Ententanz beobachten. Solchen, die es eher ruhig mögen, bietet der Ort – jedenfalls im Winter, denn im Sommer ist er fast leer – hingegen einen Selbstmord-Anreiz allererster Güte, wie es David Foster Wallace in seiner Kreuzfahrt-Reportage „Schrecklich amüsant – aber in Zukunft ohne mich“ ausdrückt.
Lois Hechenblaikner hat diesen profit- und eventgesteuerten Unterhaltungsfuror, diesen permanenten Karneval samt seiner ökologischen Kollateralschäden visuell begleitet. Für den vorliegenden Band konnte er auf die Arbeit von 26 Jahren und auf 9.000 Bilder zurückgreifen, die eine zur bloßen Kulisse degradierte Natur ebenso zeigen wie die Hightech-Logistik, die hinter den vermeintlichen Hüttenflairs steckt, die der Fotograf „Rustikalkarzinome“ nennt. Wäre er Journalist, müsste man Hechenblaikners Zugang als investigativ bezeichnen. Seine Bilder sind teilnehmende Beobachtungen, der Fotograf setzt sich aus und geht dorthin, wo es wehtut. Die dabei entstandenen Fotografien sind Grenzgänge – und Herausforderungen. Sie sprechen für sich. Das macht ihre Wucht aus.

Und Corona? Der Virus ist in Bierform auf dem letzten, 2015 entstandenen Bild dieses Fotobuches bereits präsent. Das Überdruckventil Alkohol, daran lässt Hechenblaikner keinen Zweifel, ist ein wesentlicher Treibstoff in Ischgl. Vor ein paar Jahren machte sich ein Reporter des deutschen „Handelsblatt“ die Mühe, als Aushilfskraft in der Ischgler „Trofana Alm“ am Zapfhahn zu arbeiten. Er notierte fleißig mit. An Spitzentagen trinkt das Partyvolk dort in ein paar Stunden hundert Fässer Bier (50 Liter) leer, dazu kommen diverse andere erfrischende Getränke. Ist die Hütte voll, darf man mit einem Umsatz von 120.000 Euro rechnen, pro Tag. Peter Zellmann vom Wiener Institut für Freizeit- und Tourismusforschung meint dazu: „Mit Massen, die viel trinken, verdient man einfach am meisten.“ Zu einem ähnlichen Schluss kommt auch Andreas Pichlers Dokufilm „Alkohol – Der globale Rausch“. Unter anderem geht es darin um die Alkoholindustrie, die jährlich 1,2 Billionen Euro umsetzt und jene drei Millionen Menschen, die pro Jahr an den Folgen von Alkoholmissbrauch sterben. Dagegen nimmt sich Corona wie ein Krippenspiel aus.

 

Den Medien gilt Ischgl mittlerweile als Symbol: für Gier, Realitätsverlust, Lobbyinteressen und den Hang, Gewinne zu privatisieren und Schäden, zumal gesundheitliche, auf dem Konto der Allgemeinheit abzubuchen. Das stimmt, doch ein Einzelphänomen ist der „Fall Ischgl“ nicht. Er spielt sich vor der Folie eines zu Wachstum und immer mehr Profit verdammten Wirtschaftssystems ab, das von den Folgen und den seelischen Preisen, die es dafür zu entrichten gilt, nichts wissen will. Sophokles sagte vor einer Weile in seinem „König Ödipus“: „Am schmerzlichsten aber sind jene Qualen, die man frei sich selbst erschuf“. Ödipus, an dem schon Sigmund Freud einen Narren gefressen hatte, ist einer, der eigentlich alles wissen müsste, leider aber nicht hinsehen will. Er ist ein Meister der Negation – die Ursache für die Pest, die seine Stadt heimsucht, ist er selbst.

 

 

Stefan Gmünder, geboren 1965 in Bern, ist Redakteur in der österreichischen Tageszeitung „Der Standard“ und der Literaturzeitschrift „Volltext“. Sein Arbeitsschwerpunkt liegt auf der deutschsprachigen Literatur. Daneben schrieb er diverse Vor- und Nachworte für Sammel- und Erzählbände. 2015 bis 2019 war er in der Jury des Ingeborg-Bachmann-Preises. 2021 erhielt er den Österreichischen Staatspreis für Literaturkritik. Er ist u.a. Herausgeber des Bandes „Die Republik Nizon. Eine Biographie in Gesprächen“ (Edition Selene) und verfasste zusammen mit dem Literaturwissenschaftler Klaus Zeyringer die Streitschrift „Das wunde Leder. Wie Korruption und Kommerz den Fußball kaputt machen“ (Edition Suhrkamp). Gmünder lebt seit dreißig Jahren in Wien.